Johann Caspar Lavater (1741–1801) war ein Züricher Schriftsteller und Theologe. Im Laufe seines Lebens schrieb er über 400 Werke, darunter die Schweizerlieder oder Von der Physiognomik und die Physiognomischen Fragmente, außerdem Sendschreiben und theologische, pädagogische und philosophische Beiträge sowie Tagebücher. Darüber hinaus war Lavater Teil eines weitgespannten Kommunikationsnetzwerkes: Mit seinen über 20.000 Briefen an mehr als 1.800 Adressaten im In- und Ausland nahm er besonders extensiv an der dreisprachigen Briefkultur teil, die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts florierte.
Lavaters Korrespondenz dient dem Verständnis zentraler Diskurse der europäischen Kultur- und Geistesgeschichte, weshalb seine Bedeutung in der gesamtkontinentalen Forschung anerkannt ist. Er berührt darin die Felder Theologie, Philosophie, Psychologie, Anthropologie, Pädagogik, Physiognomie, Poetik, Ästhetik, bildende Kunst, Literatur, Politik und Naturwissenschaft in Zeiten der Aufklärung. Eine digitale Erfassung und Erschließung der Briefe von und an Lavater kommt daher der Wissenschaft disziplinübergreifend zugute, und man leistet damit entscheidende Impulse für die zukünftige Lavater-Forschung – gilt er doch als eine der vielschichtigsten Persönlichkeiten seines Jahrhunderts.
Das auf zehn Jahre angelegte Projekt „Johann Caspar Lavater: Historisch-kritische Edition ausgewählter Briefwechsel (JCLB)“ wird eine Hybrid-Edition herausbringen. Neben einer Printausgabe mit der vollständigen Korrespondenz (u. a. mit Aristokraten, Publizisten, Künstlern, Literaten, Pädagogen und Naturwissenschaftlern) wird es eine digitale Edition geben, welche auf der Grundlage einer repräsentativen Brief-Auswahl die komplexe Struktur eines internationalen europäischen Korrespondentennetzwerks auf innovative Weise visualisiert. Durch die Aufarbeitung der Digitalisate sowie der Brieftranskripte versehen mit den notwendigen Metadaten werden zudem die Voraussetzungen für die Untersuchung von Wissensnetzwerken in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts geschaffen.
Für die digitale Edition und Visualisierung des Korrespondenznetzwerkes steht dem Vorhaben das Trier Center for Digital Humanities (TCDH) zur Seite, das durch Projekte wie etwa das Heinrich-Heine-Portal, die „Digitalisierung und elektronische Publikation der Korrespondenz August Wilhelm Schlegels“ und nicht zuletzt „Vernetzte Korrespondenzen. Erforschung und Visualisierung sozialer, räumlicher, zeitlicher und thematischer Netze in Briefkorpora“ eine langjährige Expertise in der Planung, Durchführung und Betreuung webbasierter Editionen vorweisen kann.
Für die editionswissenschaftliche Arbeit wird das TCDH die gemeinsam mit dem Forschungszentrum Europa und dem Sonderforschungsbereich 600 „Fremdheit und Armut“ entwickelte virtuelle Forschungsumgebung FuD für die Erfordernisse des Lavater-Vorhabens anpassen. Des Weiteren wird hier in Trier eine internetbasierte Plattform aufgebaut, die den Briefbestand abbildet. Die Nutzenden können dann auf Handschriftenfaksimiles, Volltextdigitalisate der Drucke, Transkriptionen der Briefe sowie Register und Daten der Briefpartner zugreifen. Ferner entwickelt das TCDH interaktive Visualisierungsmodule – etwa dynamische Netzwerkdarstellungen oder geographische Karten, welche die soziale, räumliche und thematische Intensität und Dichte von Lavaters Vernetzung über ganz Europa aufzeigen. Personelle und kommunikative Strukturen werden so sichtbar und die Nutzenden können sozusagen visuell nacherleben, wann Lavater sich zum Beispiel an bestimmten Orten mit seinen Korrespondenzpartnern über die verschiedensten Themen ausgetauscht hat.
Die digitale Edition wird der Forschung wie auch der breiten interessierten Öffentlichkeit als Open Access-Publikation zur Verfügung stehen. Nach Abschluss des Projektes werden sämtliche Datenbankinhalte in XML-Auszeichnung gemäß den internationalen Richtlinien der TEI-P5 zusammen mit METS/MODS-basierten Codierungen der Metadaten exportiert und können somit nachhaltig archiviert werden.