Von Autobiographien und Erinnerungsbüchern über Reiseberichte und Briefe bis hin zum Tagebuch in all seinen Variationen – die heterogene Gruppe autobiographischer Texte lässt sich kaum auf bestimmte Textsorten beschränken. Etymologisch betrachtet sind Texte dann autobiographisch, wenn sie sich in schriftlicher Form mit dem Leben ihres Verfassers auseinandersetzen. Oftmals erweisen sie sich deshalb auch als Versuch einer innerhalb des Textes mehr oder weniger präsenten Ich-Figur, sich selbst innerhalb ihrer (Um-)Welt zu verorten. Von Text zu Text in alternierendem Umfang und Zusammenhang und mit unterschiedlichem Grad an Reflexion und Emotion können Personen, Orte, Organisationen oder künstlerische Werke genauso Teil dieser von der Ich-Figur beschriebenen Umwelt des autobiographischen Texts werden wie historische Ereignisse, persönliche Erlebnisse, alltägliche Banalitäten oder Gedanken zum Schreibprozess des autobiographischen Texts selbst.
Ebenjene Entitäten mit all ihren Zusammenhängen, Abhängigkeiten und Einflüssen in Bezug auf die (be-)schreibende Ich-Figur des autobiographischen Texts sind aktuell Untersuchungsgegenstand von eXplore!. Durch Text Mining, Modellierung und Simulation untersuchen die beteiligten Forscher am konkreten Fallbeispiel der Tagebücher Klaus Manns, welche Einflussfaktoren sich in welcher Form auf die literarische Produktion und Produktivität des Tagebuchverfassers ausgewirkt haben. Zunächst sollen dazu verschiedene, bereits etablierte Text Mining-Methoden wie Named Entitiy Recognition, Worthäufigkeits- oder Kookkurrenzanalysen eingesetzt werden, um die Identifikation und Analyse von Kontakten, Aufenthalten, Tätigkeiten, persönlichen oder politischen Ereignissen, welche mit Klaus Manns literarischer Produktivität in Zusammenhang stehen könnten, zu unterstützen. Basierend auf dieser Datengrundlage soll das zugrundeliegende System, also konkret Klaus Mann, seine sozialen Kontakte und sein Umfeld möglichst realitätsnah mit allen wesentlichen Eigenschaften, Aktivitäten und Zusammenhängen im Anschluss in einer agentenbasierten Sozialsimulation abgebildet und mit Blick auf die Fragestellung analysiert werden.
Durch die Exploration der dabei stattfindenden Forschungsprozesse und deren Abbildung in Scientific Workflows werden darüber hinaus die Voraussetzungen geschaffen, um die entsprechenden Untersuchungsmethoden auf weitere autobiographische Texte übertragen zu können. Hierbei werden nicht nur inhaltlich nachhaltige Strukturen und Methoden der Digital Humanities aufgebaut. Auch die Forschungsarbeiten der mit digitalen Technologien arbeitenden Geistes- und Sozialwissenschaftler selbst werden reflektiert und wissenschaftlich begleitet.
Mittelfristig zielt eXplore! auf den Ausbau des Trier Center for Digital Humanities. Die seit der Gründung aufgebauten Forschungsschwerpunkte auf den Gebieten Digitale Philologie, Digitale Kulturwissenschaften, Semantische Datenerschließung und Software-Systeme werden durch Querschnittsaktivitäten in den Bereichen Datenmodellierung, -analyse und -exploration verknüpft werden.